Zum Geleit

September 2023

Sodele, liebe Freundinnen und Freunde der Manufaktur,

nach dem Outdoor-August geht’s im September nun endlich wieder nach Drinnen. Der Herbst beginnt am 8.9. mit einer Show, die Manufaktur-Traditionalist*innen, die Underground-Legenden lieben, zum Schwelgen bringen und auch bei den Freund*innen des Ganz Ganz Neuen Und Total Heutigen eine gewisse Begeisterung auslösen dürfte: Zu Gast ist der Singer-Songwriter Simon Joyner («flying under the radar since 1991», schreibt er auf Bandcamp über sich selbst) zusammen mit seiner Band, bestehend aus Michael Krassner und Fred Lonberg Holm – letzterer war auch schon einige Male im Jazz-Programm in der Manufaktur zu Gast (mit dem Peter Brötzmann Chicago Tentet und mit Vandermark 5 zum Beispiel). Eine Kombination, die Ungehörtes verspricht – und die auch für die (mittel-)großen (musik-)biografischen Bögen der alternativen Popkultur steht, die unser Programm immer wieder schlägt.

Enden wird der Veranstaltungsseptember in der Manufaktur am 27. mit Georgiana Banita und ihrem Buch „Phantombilder. Die Polizei und der gefährliche Fremde“. Dass Polizeigewalt ein strukturelles Problem ist, sagt sich so leicht dahin. Doch was heißt das tatsächlich und was lässt sich dagegen tun? Davon handelt Banitas spannender Text, der sich nicht nur mit den medial bekannten US-amerikanischen, britischen und französischen Verhältnissen beschäftigt, sondern auch mit denen hierzulande. Allerdings sind die Ereignisse, die in Frankreich in den letzten Monaten zu bestaunen waren, schon einen besonderen Kommentar wert: Uns hat zuletzt wenig derart aus der Fassung gebracht wie die Stellungnahmen der französischen Polizeigewerkschaften im Juli. Als Reaktion auf die Riots, die nach den tödlichen Schüssen auf Nahel M. ausbrachen, forderten sie ganz offen, dass Politik und Bevölkerung nun die Polizei in ihrem „Krieg“ gegen „Schädlinge“ und „wilde Horden“ unterstützen müssten. Anderswo hieß es, heute sei man im Krieg, morgen werde man im Widerstand sein. Also – entmenschlichende Hetzrede gegen Minderheiten und obendrauf eine reichsbürgermäßige Ankündigung, sich bewaffnet gegen die eigene Regierung und die Gesellschaft zu wenden, wenn die Politik nicht spurt und, kurz gesagt, ganz schnell ganz faschistisch wird. Derweil kündigte in Deutschland eine Polizeihochschule einer türkischstämmigen Dozentin den Lehrauftrag, weil sie es gewagt hatte, rassistische Polizist*innen als den braunen Dreck zu bezeichnen, der sie nun einmal sind. Polizist*innen haben es auch nicht immer leicht, das stimmt – und natürlich sind sie nicht alle rechts (was jene Dozentin auch nicht behauptet hatte). Aber es ist offensichtlich, dass in den repressiven Staatsapparaten nicht nur in Frankreich ein autoritärer und rassismusfreundlicher Geist spukt, der etwas mit dem Selbstverständnis vieler Vertreter*innen dieser Organe zu tun hat und auch mit dem politischen Umfeld. Schliesslich scheint derzeit selbst die gemäßigte Rechte (die Teile der SPD und des Wagenknecht-Flügels der Linken umfasst) so verkrampft aufzupassen, bloß nicht als „woke“ zu gelten, dass Menschenrechte oder körperliche Unversehrtheit für jene Menschen, die den Rechten nicht als das eigentliche und anständige Volk gelten, als überflüssiger Luxus erscheinen, den nur noch Gutmenschen und Lifestyle-Linke befürworten. Eine brandgefährliche Entwicklung, die leider ganz und gar nicht abgeschlossen zu sein scheint.

Eure

Manufaktur

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