Zum Geleit

Oktober 2021

Liebe Freund*innen der Manufaktur,

der Oktober wird ein Indoor-Monat, mit vielen schönen Konzerten und Veranstaltungen in der Manufaktur – alles, wie ihr wisst, zugänglich mit Impfnachweis, Genesenenbescheid (tolles Wort) oder tagesaktuellem Antigenschnelltest (und Ticket natürlich!). Wir kontrollieren das, wie jetzt schon seit einigen Wochen, gewissenhaft. Das tun wir kreuzbrav und beflissen und nur mit gelegentlichen Anflügen von Selbstironie, weil uns die Gesundheit aller Besucher*innen und auch des Manu-Teams wichtig ist und auch, weil uns die epidemiologische Logik des Die-Zahlen-nicht-Explodieren-Lassens unterm Strich einleuchtet. So ist das ja eine sichere Sache, auch bei Konzerten. Wir haben uns schon fast dran gewöhnt, es geht routiniert und zügig.

Noch vor einigen Monaten, im Frühjahr, hatten wir uns allerdings noch nicht so richtig vorstellen können, dass wir mal Zertifikate auf Smartphones verlangen, scannen und mit Ausweisdokumenten vergleichen würden. Damals waren einige liberale Politiker*innen und Branchen-Lobbyist*innen mit entsprechenden Modellen (für Tests, vor allem) vorgeprescht, was uns eher nervte. Denn zum einen machten diese Vorstöße den Eindruck, sie würden der Impfkampagne und der Bereitschaft zum zwischenzeitlichen Verzicht, um die Fallzahlen zu senken, den Wind aus den Segeln nehmen, und zum anderen verspürten wir – zugegebenermaßen – einen gewissermaßen habituellen Widerwillen: Wir sind hier doch gegenkulturaffin und herrschaftskritisch, wir sind doch nicht bei den repressiven Staatsapparaten oder unter obrigkeitsfrommen Sachbearbeiter*innen, die anderer Leute Dokumente begutachten! So dachten wir damals. (Wobei, das sei zugestanden, wir immer schon auch Sachbearbeiter*innen unter uns hatten, ist ja auch ein ehrbarer Job – und Tickets kontrollieren wir seit Jahrzehnten mit Leidenschaft). Und jetzt? Haben wir unsere inneren Zollbeamt*innen entdeckt und lieben gelernt? Machen wir einfach, was von uns verlangt wird und den Laden ökonomisch halbwegs am Laufen hält? Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann? Blanker Opportunismus?

Aus unserer Sicht ist es der Weg des kleineren Übels, aktuell. Eben die mehr oder weniger pragmatische Einsicht, dass andere Wege des Umgangs mit diesem Virus deutlich gefährlicher und schädlicher sind. Man lernt. Wenn auch nicht euphorisch. Und es schwingt ja immer eine gewisse Fantasie mit: Wenn sich mehr Leute von sich aus zum Impfen durchringen würden, ließe sich viel besser argumentieren, dass solche Kontrollen nicht mehr nötig sind, weil das Gefahrenpotenzial entscheidend verringert wäre, hoffentlich. Aber, tja – so ist es nicht. Und damit wären wir bei einer wunderbaren Gelegenheit, die eigenen Ambivalenzen angesichts derartiger neuer Rollen zu verdrängen und die eigenen Aggressionen und analytischen Fähigkeiten (Sublimation!) auf Leute zu konzentrieren, die das wirklich verdient haben: Let’s talk about sogenannte Querdenker! Die haben den unterschwelligen Impfzwang ebenso vorhergesehen wie die Landung Donald Trumps auf der Wiese vor dem Reichstagsgebäude zur Befreiung der Bundesrepublik Deutschland AG von den Echsenmenschen. Also eine ganz ordentliche Trefferquote. Hier und da lustig, aber letztlich natürlich furchtbar traurig und vor allem auch gefährlich, wer und was sich da zusammenfindet und sich an abstrusen Verschwörungsmythologien berauscht. Deshalb freuen wir uns im Oktober besonders auf Matthias Meisner und Dietrich Krauß. Sie haben das jüngst erschienene Buch Fehlender Mindestabstand – Die Coronakrise und die Netzwerke der Demokratiefeinde zusammengestellt und werden daraus lesen und mit dem Publikum über das Thema diskutieren.

Einen schönen Oktober wünscht

Deine Manufaktur

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