Zum Geleit

September 2020

Liebe Krawallschwestern & Rotzbuben [1],

wir machen das Beste aus der Lage: die Rundbogenbühne im Manufaktur-Hof bleibt den ganzen September über geöffnet, wir bespielen von dort aus den Biergarten und den kompletten Parkplatz. So ist genügend Raum, damit alle Abstand halten und trotzdem gemütlich draußen & zusammen sitzen & trinken & essen & chillen & schwadronieren & sich der Musik hingeben können, und was man sonst noch so tut an lauen Sommerabenden. Neben unserem klassischen, vor allem regionalen Sommerbühnenprogramm haben wir diese Saison auch eine ganze Reihe anderer Konzerte und Veranstaltungen nach draußen verlegt. Warum nicht immer schon so, fragen wir uns. Super, so eine Krise, schafft total viel Innovation durch schöpferische Zerstörung, sagt der neoliberale Startup-Pfosten in uns.

Der Eintritt ist für unser Draußenprogramm frei. (Warum nicht immer schon so, fragt sich manch eine*r von euch vermutlich). Wir lassen den Hut rumgehen und hoffen auf Großzügigkeit & „leise Spenden“, wie’s beim kirchlichen Klingelbeutel heißt (der ja gerade nicht klingeln soll, wenn die Scheine gezückt werden) – die Künstler*innen freuen sich darüber und wir auch, denn die Rechnungen müssen weiterhin gezahlt werden. Überhaupt gibt die Corona-Zeit ja vielerlei Gelegenheit, sich vorbildlich und unegoistisch zu verhalten…

Aber natürlich kommt jetzt der Herbst und wir können nicht auf ewig in lauer Sommerluft schwelgen. So tun wir jetzt auch wieder die ersten, vorsichtigen Schritte in den Saal hinein: Das Urs-Leimgruber-Konzert (Jazz!) wird drinnen stattfinden, die Gerhard-Henschel-Lesung ebenso, außerdem die Aufführungen des Burggymnasium-Theaters. Wir haben, vom tollen Programm einmal abgesehen, sehr gute Bedingungen geschaffen: feste Bestuhlung, ausreichend Abstand zwischen den Stühlen und eine Lüftungsanlage mit 100% Außenluft (keine Umwälzung), neuen Feinstaubfiltern und kompetenter Lüftungsanlagenbedienung. Ganz so voll wie früher wird der Laden so vorerst nicht (die Kapazität schrumpft auf 60 Leute), aber es ist hygienisch, zu verantworten, luftig, kurz, alles bereitet für den optimalen Kunstgenuss…

Ansonsten haben wir uns vorgenommen, in den nächsten Monaten viele offene Briefe zu schreiben, für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, um das Auseinanderbrechen und die Spaltung der Gesellschaft zu verhindern, für die Inszenierung von „knallhartem“ Realismus und klarer Kante, gegen das linksgrünversiffte Gutmenschentum, für die Wichtigtuerei, das Sich-im-Gespräch halten, das Bekenntnis zum autoritären Charakter und zum gesunden Volksempfinden. Ach nein, das machen wir doch nicht, diese undankbare Aufgaben haben ja schon andere übernommen.

Eure
Von der eigenen Moral berauschten sozialpädagogischen Betreuungsromantiker*innen & marodierenden Antifa-Horden (hui-buh!), auf gut schwäbisch gesagt.


[1] Für Zeitungsleser*innen in Schorndorf, Tübingen und Schwäbisch Gmünd erklärt sich diese Anrede vermutlich von selbst, allen anderen sei eine Rücküberweisung in die Erstaufnahmeeinrichtung oder ein mehr oder weniger freiwilliges Dienstjahr nahegelegt.

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